Im Wohnzimmer meiner GroĂeltern, an der Wand zum Flur hing eine Uhr. Sie regelte das Leben, gab vor, was zu welcher Zeit zu tuen war. Sie lief ein Leben lang.
Das GerĂ€usch- dieses „tick tack“ und der Schlag des LĂ€utwerks zur halben und vollen Stunde sind Kindheitserinnerungen. Die Menschen, die diese QualitĂ€ten gebaut haben, waren KĂŒnstler und Perfektionisten in meinen Augen.
Ich konnte diesen Erinnerungen an Kindertage nicht wiederstehen und habe mir bei einer online- Auktion eine solche Uhr ersteigert. NatĂŒrlich defekt, meinem Geldbeutel entsprechend. Hier die Fehlerliste:
– Uhrwerk verschmutzt
– Hemmung total verstellt
– Zeiger lose
– Gewindestab aus Pendel ausgebrochen
– GehĂ€userĂŒckwand lose
Also erstmal basteln. Am einfachsten war die Bruchstelle am Pendel auszumerzen. Der Metallstab hielt auch ohne Reparatur noch im Eichenholz, jedoch war er verbogen, ein unhaltbarer Zustand. Mit etwas Holzkitt und viel GefĂŒhl war dann alles wieder gut.
Den verbogenen Stahlstift, der das Pendelgewicht hĂ€lt und zum einregeln der Uhr dient, habe ich auch gerichtet. Alles mit der Hand und schön vorsichtig. Die optisch nicht sehr hĂŒbsche Flickstelle wird vom Pendelgewicht, der sogenannten Linse, völlig verdeckt.
Als nĂ€chstes war das Werk dran. Als erstes das Zifferblatt abbauen- drei kleine Metallkeile halten es fest.- es darf unter keinen UmstĂ€nden mit Alkohol und Waschbenzin in BerĂŒhrung kommen- das Zifferblatt könnte beschĂ€digt werden.
Um das Werk zu reinigen mĂŒĂte man es eigentlich vollkommen demontieren, dies erschien mir jedoch nicht sinnvoll. Daher habe ich die ohnehin völlig verstellte Hemmung ausgebaut und das Werk in meinem Reinigungsbad drehen lassen. „Unter Wasser“ sozusagen. Wichtig ist, das sich der verharzte Schmierstoff aus den Lagern löst. Das funktionierte so sehr gut. Andere Verschmutzungen habe ich mit einem Pinsel entfernt.
Dann alles gut trocknen lassen- ich habe in der Zeit die GehĂ€userĂŒckwand mittels kleiner Messingschrauben wieder fixiert.
Jetzt alles gut einölen, kein Lager vergessen und auch sonst alles mit einem Film hochwertigen NĂ€hmaschinenöls ĂŒberziehen. An die FederhĂ€user denken…
Der Vorbesitzer hatte wohl ebenfalls versucht die Hemmung einzustellen, jedoch mit falschem Werkzeug, wie man im Bild unschwer erkennen kann. Das Einstellen einer Blechhakenhemmung ist eigentlich ganz einfach und erfordert nur etwas GefĂŒhl. Ein alter Uhrmacher hat es mir mal so erklĂ€rt: der Schlitz fĂŒr den Federstahl muĂ senkrecht stehen, der Anker muss so tief wie möglich, aber er darf das Hemmungsrad nicht einklemmen. Der Abstand zwischen dem „Tick“ und dem „Tack“ und dem nĂ€chsten „Tick“ muss gleich sein.
Mit den beiden Schrauben fĂŒr die Höhenverstellung war das hier aber nicht zu machen, da der Anker auf einer Seite am Anschlag war, wenn der Schlitz fĂŒr den Federstahl gerade stand. DafĂŒr gibt es noch eine andere Schraube, mit der man die Position des Ankers einstellen kann.
Der rote Pfeil zeigt die Schraube. Nachdem ich das korrigiert hatte, war das Werk nicht mehr aufzuhalten.
Als ich das Zifferblatt montiert, und alles wieder im frisch gereinigtem GehÀuse verbaut hatte, hing sie an der Wand- und lief!!!
Nur noch die Zeiger fest machen… 2 Tage lang suchte ich nach geeignetem Material, um den fehlenden Keil zu ersetzen- bis ich einen alten SchlĂŒsselring aus Draht in der Hand hielt…
Seit einer Woche reguliere ich sie ein. „Wir“ sind bei 30 Sekunden pro Tag Abweichung. Pro Woche 3 Minuten sollten möglich sein….
Es mag Leute geben, die so eine Uhr nur als Geldanlage sehen, IDIOTEN. Das ist fĂŒr mich ein StĂŒck technischer Kultur. Selbst unsere JĂŒngste und unser Pflegesohn spĂŒren das so eine Uhr aus der Zeit ihrer UrgroĂeltern etwas ganz, ganz besonderes ist…
fĂŒr Leute die sich damit auskennen:
– Federzugwerk mit KĂ€figrĂ€dern
– schwarzwĂ€lder Hakenhemmung
– Rechenschlagwerk mit Abstellmöglichkeit
– Gewicht des Pendels (komplett):175g
Die Uhr mit der Nummer 355 auf der GehĂ€userĂŒckwand hat ein neues Zuhause, wenn es nach mir geht, fĂŒr die nĂ€chsten 40…50 Jahre…